Was treibt 40 Krähen in den Selbstmord?



Schleswig. Am späten Montagnachmittag flog ein Schwarm von rund 40 Krähen gegen Flachdachfassaden und Schaufenster von Geschäften auf dem Gelände des "real"-Marktes in der Flensburger Straße. Die Vögel kollidierten auch mit Autos, die den Parkplatz des Einkaufszentrum befuhren. Nach etwa eineinhalb Stunden war das schaurige Treiben vorbei. Fast alle Vögel verendeten und lagen auf dem Parkplatz oder vor den Schaufenstern. Auch am Mittwoch noch erinnerten Blutflecken und Federn auf dem Boden an das traurige Schauspiel.
Saskia Christiansen arbeitet in der "Apotheke im Pluspunkt" beim "real"-Markt. Sie berichtet, dass gegen 16 Uhr die erste Krähe gegen das Apotheken-Schaufenster krachte. Als es kurz danach ein zweites Mal am Fenster knallte, gingen sie und ihre Kollegen zunächst davon, dass Kinder Schneebälle warfen. Dem war nicht so. "Die Krähen flogen über den ganzen Parkplatz. Je stärker der Schnee wurde, desto mehr flogen gegen unser Schaufenster. Als wären sie verrückt gewesen", erzählt sie. Besonders schockierte sie, dass sich einige Vögel wieder aufrappelten, nachdem sie gegen die Scheibe geprallt waren und dann ein zweites Mal gegen sie flogen.
Vögel müssen in Panik geraten sein
In Schrecken versetzt wurden auch die Angestellten des Tabakwaren-Geschäftes Hermann Teckenburg. Hier verirrte sich eine Krähe in den Laden. Mitarbeiterin Tina Wedhorm: "Der Vogel saß ganz ruhig in einer Ecke. Ein mutiger Kunde hat ihn dann mit einem kleinen Handtuch nach draußen getragen." Auch Günter Johannsdotter wurde Augenzeuge des Krähen-Sterbens. Er war zu diesem Zeitpunkt als Kunde auf dem "real"-Gelände. "Es hat richtig gerumst, als die Krähen gegen die Dachverkleidungen geflogen sind", sagt er. Johannsdotter vermutet, dass die Vögel etwas falsches gefressen haben könnten und deswegen ein solches Verhalten zeigten.
Dies hält Heike Jeromin, Diplom-Biologin am Michael-Otto-Institut in Bergenhusen, für unwahrscheinlich. "Die Vögel müssen aus irgendeinem Grund in Panik geraten sein. Vielleicht war ein Habicht hinter ihnen her", erklärt sie. Zwar seien große Fensterflächen und beleuchtete Gebäude generell immer anfällig für Vogelschlag, jedoch komme es selten vor, dass gleich einer ganzer Schwarm auf so eine Art sterbe. Auch hätten Krähen mit schlechten Witterungsbedingungen in der Regel keine Probleme. Ihr Kollege Kai Thomsen geht von einem "unglücklichen Einzelfall" aus. "Vielleicht wurden sie durch das viele Licht angelockt", vermutet er. Er geht davon aus, dass es sich bei den Krähen um Saatkrähen aus Russland handelte. Diese kommen zum Überwintern nach Schleswig. Thomsen: "Am Abend sammeln sich die Krähen meist, um gemeinsam zum Tiergarten zu fliegen und dort zu übernachten."
Hans-Jürgen Boeck, Vorsitzender der Naturschutzbund-Ortsgruppe Schleswig, ist verwundert über das Verhalten der Krähen. "Sie sind hochintelligente Tiere", sagt er. Eine Tatsache, die das Geschehen am Montag noch verwunderlicher macht.

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